EIN WORT – VIELE GESICHTER
Jeder hat sie garantiert mehrfach im Leben, aus ganz verschiedenen Gründen und in unterschiedlichster Intensität: Schmerzen. Erstaunlich ist dabei: Schmerzen nimmt jeder Mensch anders wahr. Dies liegt nicht nur an einem selbst, der eigenen Schmerztoleranz und dem individuellen Schmerzempfinden, sondern auch mit daran, dass Schmerz unzählige Ursachen haben und sich auf verschiedenste Arten äußern kann. Es ist wichtig sich vor jeder Therapiemaßnahme und jedem Gegensteuern gegen die eigenen Schmerzen eingehend damit zu beschäftigen, den spezifischen Schmerz näher zu definieren. Denn je besser man seinen Schmerz versteht und eingrenzen kann, wo seine Entstehung liegt, desto größer ist die Chance, ihn auch gezielt und erfolgreich zu bekämpfen.
ERST VERSTEHEN, DANN THERAPIEREN
In diesem Artikel soll es nicht darum gehen, explizit Tipps, Ratschläge und Therapieansätze zu geben, denn dies muss in jedem Schmerzkontext sehr individuell betrachtet werden. Vielmehr soll dieser Beitrag einen hilfreichen Überblick darüber zu geben, was Schmerz überhaupt ist, wie er entsteht beziehungsweise auf welche Quellen er zurückzuführen sein kann und welche Faktoren zur Bewältigung von Schmerzen beitragen können. Des Weiteren soll auch gezeigt werden, welche Faktoren und Behandlungsmethoden die Bekämpfung des Schmerzes sogar behindern können und statt ihn zu lindern zu einer Intensivierung führen können – auch dies kann nur temporär sein und muss nicht direkt auf einen falschen Behandlungsansatz schließen lassen. Und nicht zuletzt soll die Rolle der Physiotherapie in diesem Kontext erläutert werden. Denn diese ist ein äußerst effektives Mittel, sowohl bei der Schmerzbestimmung als auch der zielgerichteten Bekämpfung sowie dem individuellen Gegensteuern.
DER SINN VON SCHMERZEN
Wichtig ist zuerst einmal, sich bewusst zu machen, dass Schmerz per se nichts Schlechtes ist, sondern sogar überlebenswichtig. Er ist ein Warnsignal des eigenen Körpers, das man in keinem Fall überhören oder ignorieren sollte. Schmerzen sind also etwas Gutes, denn sie geben uns Anhaltspunkte, wo im Körper etwas nicht in Ordnung ist. Deshalb sollten Schmerzen immer als Chance wahrgenommen werden, das eigene Wohlbefinden wieder zu
verbessern. Sie sind stets ein hervorragender Indikator für die eigene Konstitution und sind ein sehr ursprüngliches Gefühl, das unser Körper seit Anbeginn unserer Entstehung und jeder Mensch schon von klein auf kennt.
EINE GROBE UNTERTEILUNG VON SCHMERZEN
Schmerzen lassen sich ganz allgemein in akute und in chronische Schmerzen einteilen.
- Akute Schmerzen:
Diese sind eine Schutzreaktion des Körpers auf eine unmittelbare Gefahr. Diese Form von Schmerz ist meist in ihrer Ursache sehr klar und eindeutig bestimmbar. Das macht akuten Schmerz auch sehr gut behandelbar, da gezielt gegengearbeitet werden kann und die Möglichkeit besteht, die Gefahrenquelle zu meiden oder deren Auswirkung auf den Körper zu reduzieren, zu minimieren oder sogar auszumerzen. - Chronische Schmerzen:
Von einem chronischen Schmerz spricht man, wenn dieser mindestens 6 Monate vorliegt. Er ist aus medizinischer Sicht sinnlos, da normalerweise kein struktureller Schaden zugrunde liegt. Chronischer Schmerz nimmt zudem die Form eines eigenen Krankheitsbildes an. Seine Ursache ist in vielen Fällen nicht feststellbar, deshalb lässt sich dieser gegebenenfalls nicht oder nur sehr schwer therapieren.
WIE FUNKTIONIERT SCHMERZLEITUNG IM KÖRPER?
Hiermit gehen wir thematisch etwas in die Tiefe – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wenn die Schmerzleitung betrachtet wird, die essenziell ist, um sich anzusehen, wo der Schmerz tatsächlich auftritt, müssen wir einen Blick in die Faserstruktur unseres Körpers werfen.
Der Schmerzimpuls wird von sogenannten Nozizeptoren ausgelöst. Damit wir ihn aber spüren, muss dieser zuerst durch den Körper wandern und zu unserem Rückenmark oder Gehirn gelangen, um dort erkannt und verarbeitet zu werden beziehungsweise eine schnelle Reaktion möglich zu machen. Dies geschieht über zahlreiche Stationen und beinhaltet komplexe Vorgänge, die im Körper mit Höchstgeschwindigkeit erfolgen. Zum einen nutzt die
Schmerzweiterleitung hier biochemische Botenstoffe, auch Neurotransmitter genannt, und zum anderen bioelektrische Prozesse, die im Nervensystem ablaufen. Nozizeptoren leiten den Schmerz alles in allem aber auf 2 Bahnen zum Rückenmark, um ihn der Erkennung im Gehirn zuzuführen oder auch vorher schon eine Reaktion auszulösen:
- Der schnelle Weg – A-delta-Fasern: In diesen dicken, markhaltigen Fasern wird der Schmerzreiz von den Nozizeptoren in bis zu 120 Metern pro Sekunde übertragen. Dies geschieht zum Beispiel, wenn man versehentlich auf eine heiße Herdplatte fasst. Hierbei entsteht ein Erstschmerz, der genau zu lokalisieren ist und auch schnell wieder abklingt. Unsere Reaktion darauf kann durch eine zügige motorische Reflexschaltung über das Rückenmark erfolgen, noch bevor der Reiz im Gehirn ankommt. Denn eine von dort initiierte Muskelreaktion würde in diesen Fällen zu viel Zeit brauchen und den Körper unnötig gefährden. So werden wir vor größeren Schäden bewahrt. Wir ziehen die Hand sofort von der
Herdplatte zurück. Man spricht hier auch von einem „hellen Schmerz“, der unimodal ist, sich also auf eine spezifische Sinnesqualität bezieht. - Der langsamere Weg – C-Fasern: Im Gegensatz dazu gibt es den eher dumpfen Schmerz, der polymodal anschlägt, also mehrere Qualitäten anspricht und eher schlecht lokalisierbar ist. Dies geschieht über die deutlich dünneren, marklosen C-Fasern mit einer Übertragungsgeschwindigkeit des Schmerzreizes von maximal 2 Metern pro Sekunde. Der auslösende Schmerzort meldet sich hierbei ungenauer und zeigt dem Körper nicht an, sofort auf einen akuten Schmerzreiz zu reagieren, sondern eher, den betroffenen Bereich zu schonen.
DIE VIELEN FORMEN VON SCHMERZ
Auch hier werden wir auf eine Betrachtungsweise zurückgreifen, die uns unser Körper mit seinen kleinsten Bausteinen ermöglicht. Je nach Ursache und Schmerzreiz kann zwischen unterschiedlichen Formen von Schmerz unterschieden werden, die oft auch konkreten Krankheitsbildern zugeordnet werden können.
- Physiologischer Schmerz:
Diesen Schmerz nennt man auch nozizeptiv. Das bedeutet, die Wahrnehmung erfolgt über die bereits oben genannten Nozizeptoren. Dies kann sowohl thermisch als auch chemisch oder mechanisch erfolgen – also akute Verletzungen, Verbrennungen o. ä. (Hierunter fällt wieder die allzu spontane Begegnung mit der heißen Herdplatte) - Neuropathischer Schmerz:
Dieser heißt auch Nervenschmerz, denn er wird durch eine Fehlfunktion des Nervensystems verursacht oder durch eine Läsion. Hierunter fallen zum Beispiel Schmerzen ausgelöst durch Amputationen, Diabetes, Viren und andere Quellen. Der Schmerz zeigt sich hierbei durch ein starkes Einschießen, das meist stechend, brennend oder auch dumpf beschrieben wird. - Zentraler Schmerz:
Hiervon wird gesprochen, wenn das zentrale Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen wurden und deshalb Schmerzen entstehen. Die Schädigung liegt also im Gehirn oder Rückenmark. Das kann durch eine Querschnittlähmung, Viren, Multiple Sklerose, einen Schlaganfall oder andere derartige Auslöser der Fall sein. Die Schmerzen werden als besonders quälend wahrgenommen und sind schwer therapierbar. - Psychosomatischer Schmerz:
Diese Schmerzen sind ein Ausdruck seelischer Belastung, von Verarbeitungsschwierigkeiten mit diversen Gefühlen und von Stress. Sie haben im Gegensatz zu den meisten anderen Schmerzformen keine organischen Ursachen. Sicher festgestellt werden können psychosomatische Schmerzen jedoch nur, wenn alle anderen Ursachen mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Ein Beispiel für diese Schmerzform sind etwa Verspannungen im Nacken, die durch Angst oder Nervosität entstehen. Bei einer solchen seelischen Belastung sitzt einem die Angst dann im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken.
DEN SCHMERZ KENNEN UND PHYSIOTHERAPEUTISCH BEHANDELN
Als Grundlage einer physiotherapeutischen Behandlung wird immer erst einmal versucht, die Ursache des Schmerzes so genau wie möglich einzugrenzen. Dies ist für eine gezielte und professionelle Behandlung unerlässlich. Klassische Fragen mit denen Sie bei der physiotherapeutischen Befundaufnahme konfrontiert werden, sind zum Beispiel:
- „Was tut weh?“
Hier erfolgt die Lokalisation der Schmerzen in Hinblick auf das geschädigte Körperteil. - „Wo tut es weh?“
Dabei wird eine genauere Eingrenzung möglich: Ist der Schmerz flächig/punktuell/klar begrenzt? Sitz er eher oberflächlich oder tief im Gelenk - „Seit wann tut es weh?“
Mit dieser Frage soll geklärt werden, wann die Schmerzen erstmals aufgetreten sind, denn hierbei lässt sich oft ein konkreter Auslöser ermitteln. - „Wie stark tut es weh?“
Eine Einordnung auf einer Skala von 1-10 ist ein sinnvoller Ansatz. - „Was ist es für ein Schmerz?“
Wird dieser eher als spitz, schneidend, stumpf/dumpf, stechend oder kribbelnd empfunden? - „Wie verhalten sich die Schmerzen im Tagesverlauf?“
Sind sie zum Beispiel morgens schlimmer als abends? Oder andersherum. - „Was verbessert/verschlechtert die Schmerzen?“
Ist bereits eine Veränderung zu spüren, wenn man mit Bewegung oder Aktivität auf den Schmerz reagiert? - „Was wurde bisher unternommen?“
Hierbei soll geklärt werden, ob bereits Arztbesuch oder Therapien erfolgt sind, ob Spritzen, Schmerzmittel o. ä. zum Einsatz kamen und vor allem, was davon womöglich im gewissen Maße angeschlagen oder geholfen hat.
AUCH DER KOPF SPIELT EINE WICHTIGE ROLLE
Vor Augen halten sollte man sich immer: Schmerzen sind echt! Deshalb ignorieren Sie sie nicht. Auf der anderen Seite aber kann man Schmerzen und die Angst vor ihnen auch erlernen. Hier gilt es vorsichtig zu sein und genau zu prüfen, ob ein solcher Fall vorliegt. Denn durch ständiges Fixieren auf den Schmerz wird der Körper auf diesen konditioniert und die Schmerzzentren des Nervensystems werden beinahe pausenlos aktiviert.
Aber es geht auch andersrum. Denn Körper und Kopf sind in der Lage, durch Belohnungssysteme eigene „Schmerzmittel“ zu erzeugen. Eine positive Einstellung kann diese Produktion begünstigen. So kann auf Schmerzen auch mental ein hilfreicher Einfluss genommen werden.
Unsere Reaktion auf den Schmerzreiz ist also körperlich wie psychisch sehr wichtig. Wenn der Schmerz Sie z. B. in Ihrer Bewegung einschränkt oder Bewegung diesen zunächst sogar verstärkt, könnten Sie schnell dazu neigen, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Häufig ist aber genau das der falsche Ansatz, da unser Körper Bewegung für vielerlei Strukturen und Abläufe benötigt und diese im Grunde genommen und vor allem langfristig gesehen eine sehr positive Wirkung hat – beispielweise im Bereich der Bandscheiben, Knorpel betreffend oder auch rund um das Hormonsystem. In vielen Fällen ist es deshalb sinnvoll, sich – sofern möglich – seinem Alltag zu widmen. Versuchen Sie weiter Ihrer Arbeit, Ihrem Sport o. ä. nachzugehen, wenn auch nur in reduzierter Form.
OFFENE KOMMUNIKATION ALS A UND O
Ganz besonders von Bedeutung, vor allem wenn es darum geht, nicht nur den Körper, sondern auch den Kopf, die Gedanken und die Einstellung zur Therapie mit einzubeziehen Ist: Kommunikation. Patient und Therapeut arbeiten stets zusammen, wobei weder eine Abhängigkeit des Patienten zur Therapie erzeugt, noch dem Patienten oder der Patientin die alleinige Verantwortung für den Umgang mit den Schmerzen sowie deren Reduktion gegeben werden darf. Es ist wichtig über alles zu sprechen, was dem Patienten den Schmerz oder die Therapie betreffend auf dem Herzen liegt. Genauso ist es wichtig, dass der Therapeut seinen Ansatz für die ausgewählten Maßnahmen ausreichend und verständlich erklärt.
Ein guter Therapeut wird vermeiden, Ihnen als Patient einfach sein Wissen aufzudrängen. Stattdessen wird dieser mit offenen Fragen arbeiten, um Sie mit Ihren Beschwerden individuell abzuholen und gemeinsam mit Ihnen eine Strategie zu entwickeln, die genau auf Ihre Bedürfnisse passt. Statt einer einseitigen Aufklärung zu biologischen Grundlagen der Schmerzen, sollte lieber ein Dialog entstehen, in dem Sie als Patient lernen können, wie Sie selbst am besten einen positiven Einfluss auf Ihren Körper nehmen.
SCHMERZEN IN UND NACH DER THERAPIE
Besonders bei der Schmerzentwicklung im Laufe der Therapie spielt eine vertrauensvolle Kommunikation eine wichtige Rolle. Oft können anhaltende oder sogar sich vorerst intensivierende Schmerzen im Verlauf der Behandlung normal sein. Arbeiten Sie jedoch nicht zu stark in den Schmerz hinein.
Eine Therapie bewirkt immer Veränderung und bringt den Körper gezielt aus seinem derzeitigen Gleichgewicht. Die Reaktion darauf können im ersten Moment Schmerzen sein, sodass Ihnen der Behandlungsansatz erst einmal falsch erscheinen mag. Sprechen Sie unbedingt mit ihrem Physiotherapeuten über diese Gedanken, sobald Sie entstehen. Erläutern Sie dabei auch: Wie lange halten diese Schmerzen an? Wie stark sind sie? Und vor allem, sind es andere Schmerzen als sonst?
Wichtig ist, dass Sie versuchen, die Schmerzen nicht zu sehr mit der Therapie in Zusammenhang zu bringen, um diese nicht mit einer negativen Einstellung zu behaften. Der anhaltende Dialog mit Ihrem Therapeuten soll Ihnen genau dabei helfen. Denn sonst kann dies die Wirksamkeit Ihrer Behandlung nachweislich negativ beeinträchtigen. Dieses Phänomen nennt man auch den „Nozebo-Effekt“, das Gegenteil des deutlich bekannteren
„Placebo-Effekt“.
FAZIT
Wir hoffen, Sie haben mit diesem Artikel einen groben Überblick über die physiologische Entstehung und die Arten von Schmerz erhalten, sodass Sie sich objektiver Gedanken über Ihre eigenen Schmerzen machen können.
Schmerzen sind, wie Sie sehen, ein äußerst komplexes Thema, das keinem
allgemeingültigen Ansatz folgen kann. Sie sind immer subjektiv und sollten individuell behandelt werden. In den meisten Fällen sollten Sie versuchen, möglichst ihrem Alltag weiter nachzugehen und Schmerzreize nicht einfach komplett zu vermeiden.
Auch Ihre mentale Einstellung ist von großer Bedeutung: Bleiben Sie positiv und suchen Sie sich Hilfe, wenn Ihre Schmerzen länger anhalten uns Sie keinen effektiven Weg finden, diese im Zaum zu halten, zu reduzieren oder abzustellen. Wir vom Herakles Therapiezentrum Hamburg sind gern für Sie da und beraten Sie individuell mit exakt auf Sie zugeschnittenen Behandlungsansätzen. Zögern Sie nicht, uns anzusprechen. Wir freuen uns auf Sie!
Wir haben Sie überzeugt? Dann kommen Sie gerne zu uns in die
Physiotherapie.
Unsere Praxis in der Hamburger Innenstadt finden Sie
hier.